Peloponnes II
Peloponnes II - Nafplio, Tiryns & Epidauros
Nafplio ist ein zauberhaftes Städtchen in der Bucht des Argolischen Golfes, zwischen dem dritten und vierten Finger der Peloponnes. Die ersten Koffer werden uns nachgeschickt, und wir gehen in einem Pita-Laden etwas essen. Gesättigt versorgen wir uns am Kiosk mit Getränken, bevor es die 300 Meter Fußweg zum Strand geht. Die kleine Bucht wird nur von zwei Scheinwerfern und den Sternen beleuchtet. Nachts im Meer zu baden ist immer etwas Besonderes.
Eine kurze Nacht und ein mit Eiern und Speck eher fettiges Frühstück später rebelliert der Magen. Ich vermute die Gyros-Pita vom Vorabend als Übeltäter und bin weite Teile des Vormittags außer Gefecht gesetzt. Mykene und das Löwentor entgehen mir also. Gegen Mittag wieder einsatzbereit, suche ich nach alternativen Beschäftigungen. Erster Punkt auf der Tagesordnung: Aufstieg über knapp 1.000 Treppenstufen zur Festung Palamidi, die auf dem über 200 Meter hohen Berg direkt an der Küste liegt. Schon am Abend zuvor konnte man sie vom kleinen Strand aus sehen. Die Aufstiegsseite liegt (noch) im Schatten, und so ist das Unterfangen gut machbar. Der Ausblick auf Nafplio, die kleine Halbinsel, die sich wie eine Zunge zum Fuße des Palamidi-Berges ins Meer streckt, ist atemberaubend. Die kleine Bucht, in der wir letzte Nacht noch schwimmen waren, sieht malerisch aus.
Nach dem Abstieg zieht die Neugier mich in das verlassene Hotel Xenia. Wohl seit über 20 Jahren leerstehend, gleicht es einem Rohbau mit Verfallserscheinungen. Inzwischen thront der moderne Betonbau als eine Art Wahrzeichen zwischen dem Palamidi-Berg und Akronafplia, einer weiteren Befestigungsanlage oben auf der kleinen Halbinsel. Sie erinnerte mich instinktiv an die in Alanya, wo sich auch eine Festung oben befindet. Das verlassene Hotel ist von so gut wie überall sichtbar und war in der Vergangenheit Gegenstand vieler politischer Debatten in Griechenland. Inzwischen ist es so heruntergekommen, dass sich kein Investor findet. Doch die grundlegende Bausubstanz scheint vertrauenswürdig, und mit gebotener Vorsicht streune ich durch ehemalige Hotelzimmer, das Treppenhaus, die Hotel-Lobby und Terrassen. Der Ausblick zur Südseite ist unglaublich. Ein großes Kreuzfahrtschiff sowie ein Dreimaster liegen weiter draußen den ganzen Tag vor Anker und geben herrliche Fotomotive ab. So schnell, wie ich gekommen bin, verschwinde ich auch wieder – ein paar leeren Fensterrahmen sei Dank.
Nach diesem Abenteuer steht direkt das nächste an. Der Fußweg um die Halbinsel, der direkt an der Küste entlangführt, ist meinen bescheidenen Griechisch-Kenntnissen (und etwas ChatGPT-Übersetzung) nach wegen der Gefahr von Felsstürzen offiziell nicht zugänglich. Ein kurzer prüfender Blick auf die hohen Felswände neben dem Weg und einen ausgetretenen Pfad um das geschlossene Tor herum später ist die Entscheidung gefallen. Zuversichtlich und mit meiner 80er-Playlist auf den Ohren spaziere ich den umwerfenden Weg entlang. Immer die Brandung im Sichtfeld, steuere ich auf einen Felsbogen zu, der sich über den Weg spannt. Ein nettes Gespräch mit zwei Ungarinnen später ist ein nettes Foto meiner selbst im Kasten, und ich revanchiere mich, indem ich ein Bild von den beiden Damen für sie mache. Die Sonne brennt zunehmend, und an der Spitze der Landzunge angekommen, drehe ich um und gehe zurück. Wieder am Badeort von gestern Abend angelangt, ziehe ich die Badehose aus dem Rucksack und stürze mich nach kurzer Rücksprache mit einem Griechen aus der Gegend in die Fluten. Das kühle Nass ist eine Wohltat. Klares, angenehmes Wasser und eine majestätische Kulisse. Nach erfolgreichem Wasser- und Sonnenbad trete ich den Weg ins Hotel an.
Noch allein sehe ich mir die Stadt selbst auf der anderen Seite der Halbinsel an. Klein, aber fein, mit spannenden Perspektiven für das ein oder andere Foto. Die anderen kommen im Laufe des Nachmittags wieder, und in voller Besetzung präsentiere ich stolz den Badeort. Die Badewilligen bevölkern das Wasser, und während der Himmel sich ein, zwei Stunden zuvor zugezogen hat, strahlt die Sonne durch ein paar Löcher der Wolkendecke. Wirklich ein schöner Anblick. Das Abendessen findet nachher im Falafel-Imbiss einer älteren Frau statt, welcher den anderen Teil der Gruppe am Vorabend auf ganzer Linie überzeugt hat. Ich stelle mich also meiner Skepsis gegenüber den Falafel und finde doch noch Zuflucht bei einem Wrap mit Hackfleischbällchen. Die „Falafel-Oma“ hat wahrlich gezaubert. Wohl extra motiviert davon, dass einige bereits das zweite Mal zu ihr kommen, tischt sie mir ein sehr leckeres Menü auf. Besonders die Paprikasauce zu den Kartoffel-Wedges hat es mir angetan.
Der nächste Tag beginnt wie gewohnt. Frühstück, Verpflegung besorgen, Koffer in den Bus und zum ersten Stopp fahren. Den stellt heute Tiryns dar. Die dicksten Mauern von allen Stätten vermitteln einen Eindruck vom Glanz vergangener Zeiten. Schon in mykenischer Zeit eine beeindruckende Festung, verlor Tiryns vergleichsweise schnell seine Bedeutung. Vom Burgfelsen aus ist ein kleiner Brand in der Ferne zu sehen. Zunehmend steigt Rauch auf, und eine geschlagene Stunde später ertönen Sirenen der griechischen Feuerwehr. In Richtung Nafplio fällt der Blick auf ein merkwürdig anmutendes Bauwerk. Ein Fußballplatz, umgeben von Mauern. Irritiert gucke ich ein kleines Stück nach rechts und erkenne weitere Teile dieser Anlage. Die Gebäude und ein weiterer Hof erhärten den Verdacht. Die Bestätigung liefert Google Maps: Es handelt sich um das lokale Gefängnis. Nicht nur, dass es in 100 Metern Entfernung zu einer bekannten antiken Stätte situiert ist, es kann auch noch jeder Besucher der Site mühelos den Innenhof und Sportplatz betrachten. Trotz aller Neugier fühlt es sich merkwürdig an, Menschen zu beobachten, die dort vermutlich einige Jahre ausharren müssen.
Zweiter Stopp des Tages ist Epidauros. Das ehemals bedeutsamste Heiligtum des Asklepios ist vergleichsweise klein, aber dennoch spannend. Ferner ist die Thymele von Interesse. Eins der wenigen Beispiele aus der Antike für diesen Gebäudetypus überhaupt sind die wieder errichteten Überreste in ein dichtes Gerüst aus Metallstangen gehüllt. Doch am beeindruckendsten ist das Theater. Nahezu am Originalzustand bietet es ca. 13.000 Plätze. Die Akustik ist so gut, wie alle sagen. Von oben hört man eine Münze fallen und jemanden normal sprechen. Steht man unten in der Mitte und erhebt die eigene Stimme, kommt ein gewaltiges Echo zurück.
Die Küste vom Saronischen Golf entlang geht es gen Norden zum antiken Korinth. Das Hotelzimmer bietet mit insgesamt drei Betten und zwei Duschen zur Abwechslung viel Platz für mich und meinen Zimmergenossen. Die einfach gehaltene Einrichtung erinnert mich an eine Pilgerherberge. Der Balkon bietet einen Blick auf den Tafelberg und Akrokorinth, die Festung auf der Spitze des knapp 600 Meter hohen Berges. Das antike Korinth ist heute ein beschauliches Örtchen. Gyrosteller als Abendessen in einem Restaurant und als Abschluss ein fantastisches Eis aus Blutorangen und Minze, bevor auch dieser Tag sein Ende erreicht hat.