Dresden & Sächsische Schweiz

Eine handvoll Tage in Dresden und der Sächsischen Schweiz

Der ICE fährt pünktlich und direkt bis Dresden durch. Optimale Voraussetzungen könnte man meinen. Eine gerade erst auskurierte Erkältung und eher kurze Nacht zuvor lassen mich aber einige Teile der Zugfahrt verschlafen. Nicht weiter schlimm, die Strecke wird längst nicht zum ersten Mal gefahren und ist gut bekannt. Ab Leipzig wird hinter uns gesächselt. Wir grinsen uns verschmitzt an – die Gespräche hinter uns sind durchaus unterhaltsam. In Dresden angekommen wird das Gepäck im Domizil abgestellt. Der Körper wird bei einem Spaziergang zum Blauen Wunder in Bewegung gebracht. Kurz vor Sonnenuntergang schlendere ich durch die Dresdener Alt- und Innenstadt. Endlich mal wieder hier. Schön ist es – wie immer. Frauenkirche, Neumarkt, Augustusbrücke, Zwinger und so vieles mehr. Der Barock scheint hier an allen Ecken und Enden eingefroren zu sein.

Die Planung für den nächsten Tag, einen Montag, werden kurzfristig über den Haufen geworfen, da die Museen im Zwinger geschlossen sind. Stattdessen geht es in die Sächsische Schweiz. Mit der S-Bahn zuerst nach Bad Schandau. Von der oberen Etage des Zuges aus hat man einen fantastischen Blick auf die Elbe und die ersten Felsen. In Bad Schandau setzen wir per Fähre (welche im Deutschlandticket inklusive ist) über und fahren mit dem Bus nach Schmilka. Ein kleines Örtchen direkt an der deutsch-tschechischen Grenze, von dem es in Richtung Carola-Felsen geht. Nach wenigen Kilometern im Flachen beginnt der Klettersteig in imposanter Umgebung. Noch immer etwas gebeutelt von über 10.000 Kilometern auf dem Rad in diesem Jahr und der Erkältung ist das Tempo zwar nicht rekordverdächtig, aber wir kommen gut voran. Die Aussichten sind atemberaubend und über Leitern und Kletterpassagen geht es weiter hinauf. Weitestgehend haben wir unsere Ruhe und können die Sonne in vollen Zügen genießen. Angesagt war Regen.

Auf dem Carola-Felsen ist einiges los, aber der Ausblick entschädigt. Nächstes Ziel sind die Schrammsteine. Ein kleiner Marsch, etwas Kraxeln und ein paar Höhenmeter später sind wir am nächsten tollen Fleckchen. Von oben über die Sächsische Schweiz und die schroffen Felsen zu blicken ist eindrucksvoll. Die Herbstfarben wirken dieses Jahr besonders intensiv und man verliert sich schnell im Gelb und Orange der Bäume. Die obligatorischen Fotos werden – unter Hilfe von anderen Wanderern – gemacht und es geht an den Abstieg. Mehrere Fliegenpilze am Wegesrand fallen ins Auge. Einer von ihnen ist angeknabbert. Ob das Wohl ein Tier oder neugieriger Mensch war? Unten angekommen noch wenige Kilometer an der Elbe entlang, als von hinten plötzlich ein Rauschen lauter wird. Ein Zug klingt anders denke ich mir und nach einem Auto oder Bus hört es sich auch nicht an. Es bleibt wenig Zeit zum Nachdenken und auch nicht um die Kamera rechtzeitig hervorzuholen als unvermittelt ein Kampfjet im Tiefflug über uns nach Westen saust. Es war wohl ein Eurofighter der Bundeswehr auf einem Übungsflug. Zum Staunen bringt es einen auf jeden Fall. Ich sinniere darüber, wie es wohl sein muss in so einer Maschine durch so eine schöne Landschaft zu fliegen. Im Rahmen der Vorschriften die Kontrolle über so ein Stück Technik zu haben und die Geschwindigkeit mit den G-Kräften am eigenen Leib zu spüren. Der Flug mit einer Propeller Maschine über Darmstadt und den Odenwald vor zwei Jahren ist wohl das vergleichbarste, was ich bisher erlebt habe. Aber so eine gewaltige Leistung wie ein Kampfjet zu haben muss unglaublich sein.

Aber vom Sinnieren über Überschallflugzeuge zurück in den Moment und auf die kleine Fähre die uns in gemächlicher Geschwindigkeit zurück über die Elbe bringt. Wieder in Dresden scheint auch wieder die Sonne und ich hänge noch ein paar Schritte durch die Altstadt an die Wanderung vom heutigen Tag dran. Es lohnt sich allemal. Im Abendlicht sehen die dutzenden Fassaden umso schöner aus. Im Brauhaus Watzke versorge ich den Körper mit einer mächtigen Schweinshaxe. Mit Beilagen ein kleiner Kampf am Ende, aber unglaublich lecker.

Nach einem tollen und abwechslungsreichen Tag in Prag (siehe Ein Herbsttag in Prag) scheint am Mittwochmorgen im Osten die Sonne. Die Fassaden der Dresdener Altstadt leuchten und nach etwas Schlendern gehen wir in die Frauenkirche. Zwar habe ich sie schon öfter auch von innen gesehen, trotzdem ist es wieder ein ehrfurchtgebietender Anblick. Heute im Rahmen einer kleinen Andacht spielt jemand an der Orgel und füllt das imposante Barock-Interieur mit einer Fülle von Musik, wie es wohl nur eine Orgel vermag. Nach der Andacht folgt ein kleiner Vortrag über die Geschichte der Frauenkirche selbst. Auf Elemente der Innenarchitektur und Gestaltung wird ebenfalls eingegangen. Wie immer spannend, Dinge zu hören, die man Objekten nicht direkt ansieht oder vorher wusste.

Selbige Dynamik herrscht auch in der Galerie Alte Meister im Dresdener Zwinger vor. Zu meiner Begeisterung ist der Audio-Guide hier nicht ein antiquiertes Gerät mit flimsigen Kopfhörern, welche schon auf hunderten von Besucher-Köpfen gesetzt wurden. Stattdessen kann man sich bequem die eigenen Kopfhörer in die Ohren stecken und über das Handy die kurzen Inputs zu den Exponaten anhören. Besonders mit Noise-Cancelling ein Segen, falls mal wieder jemand die angemessene Lautstärke eines Museums verfehlt. Einige Exponate und Fundorte der antiken Skulpturen-Sammlung erinnern mich an den Aufenthalt in Griechenland einige Wochen zuvor. In dem räumlich mehr als angemessenen Ambiente, das der Zwinger bietet kommen die Gemälde gut zur Geltung. Nach wie vor sagen mir Romantik und Landschaftsmalerei am meisten zu. Für gute Portraits bin ich ebenfalls leicht zu erwärmen. Bei vielem anderen ist es weniger die ästhetische Vollkommenheit, sondern die Geschichte dahinter, die mich interessiert. Zu wissen, was das betrachtete Gemälde auszeichnet und wieso es die Zeitgenossen provozierte oder begeisterte ist ein deutlich besseres Erlebnis als mit seinem beschränkten Horizont davorzustehen und es einfach nur anzustarren. Viel mehr als „sieht gut aus“ oder eben „sieht komisch aus“ kann dabei ja auch nicht herauskommen. Ein Fan von besonders abstrakter Malerei werde ich dadurch auch nicht, jedoch steigt das Verständnis dafür. Ganz grundsätzlich ist es eben auch besser, etwas begründet und fundiert abzulehnen, als es einfach nur pauschal abzutun.

Nach der Gemäldegalerie bleiben noch magere 25 Minuten, um sich den Mathematisch-Physikalischen-Salon anzusehen. Nach einigen Stunden Museum ist die Hirnleistung, wie üblich, nicht mehr ganz auf der gleichen Höhe wie zu Beginn. So betrachte ich mir zwar fasziniert diverse teils 200 Jahre alte Apparaturen, die mit ihrer Feinmechanik glänzen, viel mehr aber auch nicht. Sich den Kopf zu zerbrechen, wie „die das damals nur gemacht haben“ ist nicht mehr wirklich möglich. Vielleicht ja auch zu Abwechslung ganz gut, nicht alles zu hinterfragen und sich das Hirn zu zermartern, sondern einfach mal etwas mit gewisser „Ehrfurcht“ wirken zu lassen.

Bekanntschaften führen uns erneut ins vertraute Brauhaus und auch der Leberkäse mit Bratkartoffeln überzeugt auf ganzer Linie. Ein großer Bier-Kenner bin ich immer noch nicht, gebe dem „Monats-Bier“ dennoch eine Chance und werde nicht enttäuscht. Im Anschluss wird die Neustadt unsicher gemacht. Aufgetan hat sich bei der kleinen Kneipentour, die in der bestmöglichen Gesellschaft stattfand, eine nette kubanische Spelunke. Am ersten Tisch wird Spanisch gesprochen und die Preise stimmen.

Am nächsten Tag bin ich wieder auf mich allein gestellt und es geht in aller Frühe zum Bahnhof. Die angepeilte S-Bahn mit Ach und Krach bekommen, sich an die gute Fensterseite gesetzt und mit einem tollen Sonnenaufgang belohnt worden. Das Ziel heißt wieder Sächsische-Schweiz. Diesmal nicht so weit im Osten wie die Schrammsteine sondern die berühmte Bastei mit ihrer Brücke zwischen den Felsen. Dichter Nebel hüllt die Felsspitzen ein und der Ort Rathen ist menschenleer. Auf der Fähre über die Elbe bin ich der einzige Fahrgast. Auf „meinem“ Boot stehend werde ich über die Elbe übergesetzt. Es regnet leicht und der Aufstieg von insgesamt etwa 45 min hat eine tolle Atmosphäre. Es ist neblig, menschenleer und früh am Morgen. Die Aussicht auf die Elbe ist teilweise zu erkennen, teils noch im Nebel. Sehr nah an Caspar David Friedrichs Felsenpartie im Elbsandsteingebirge. Das Gefühl etwa 200 Meter hoch über der Elbe an einer Steilklippe zu stehen lässt einen lebendig fühlen. Den Blick lässt man instinktiv umher schweifen und versucht sich die Landschaft und seinen eigenen Platz darin zu vergegenwärtigen. Oben auf der eigentlichen Brücke angekommen treffe ich die ersten anderen Frühaufsteher. Mit einem Ukrainer, der momentan in Polen lebt komme ich kurz ins Gespräch, bevor es mich über die Aussichtspunkte weiter zieht. Im Vorbeigehen überhöre ich wie jemand meint, dass die großen Touristen-Busse gegen 9 Uhr ankommen. Die Massen sind also im Anmarsch und ich behalte diesen sonst völlig überlaufenen Ort gern leer in Erinnerung.

Als nächstes widme ich mich einem Rundwanderweg über die sogenannten Schwedenlöcher. In dieser schmalen Schlucht sollen sich schon im Dreissigjährigen Krieg Menschen versteckt haben, daher der Name. Ein wunderbares Fleckchen Erde. Die Begegnungen mit anderen Menschen werden immer mehr, halten sich aber noch in angenehme Grenzen. In solchen Umgebungen seine Ruhe zu haben, lässt sie noch schöner wirken. Enge Schluchten, schroffe Felsen, urige Wälder und nicht immer leicht zu gehende Wege.

Man kann gar nicht anders, als den Herbst hier zu genießen. Besonders schön ist der Amselsee. Ein nicht sehr breiter, aber dafür langer Waldsee, dessen gesamte Länge ein Weg säumt. Zu beiden Seiten hin große Bäume mit gelben und orangefarbenen Blättern, die auf Weg und Wasser hinabsegeln. Zur rechten Seite sieht man hoch oben die Felsspitzen thronen. Ein idyllischer Ort. Unten im Städtchen angekommen kommen mir die ersten Schulklassen und Touristengruppen entgegen. Heilfroh und glücklich darüber, diesem Trubel entgangen zu sein geht es zurück nach Dresden.

Einen Aufenthalt in einem Café später steht auch schon die Heimreise an. Dresden war - wie immer – abwechslungsreich. Diesmal etwas mehr Sonne als letztes Mal. Facettenreich ist ein mehr als nur passender Begriff für diese handvoll Tage in Dresden und der Sächsischen Schweiz.

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Ein Herbsttag in Prag